Wahlkreiskolumne: Was hat Odenthal mit dem Kölner Ebertplatz gemein, und was hat das Ganze mit unserer „modernen“ bzw. progressiven Gesellschaft zu tun?

Stellen wir zunächst fest: Was ist passiert?

In Odenthal machen besoffene und bekiffte Jugendliche immer wieder „Party“, was sich in Gegröle, Lärmbelästigung für die Anwohner, aber auch in Randale, Prügeleien und dem Zünden illegaler Pyrotechnik niederschlägt. Ja, es gipfelt sogar in nächtlichen Fällungen wunderschöner Bäume, die einfach nur unschuldig auf dem Schulhof standen.

Auf dem Kölner Ebertplatz ist eine ausufernde Szene dealender Schwarz- und Nord-Afrikaner entstanden, von denen nicht nur ein erhebliches Gewaltpotential ausgeht, wenn sie mit Messern, Flaschen etc. aufeinander losgehen, vielmehr werden immer wieder auch Passanten belästigt, so daß die Anwohner den Platz und die dazugehörenden Unterführungen lieber meiden.

Beide Situationen sind entstanden, weil die Gesellschaft viel zu lange weggeschaut hat. Unter dem moralischen Imperativ von „offener Gesellschaft“ und „Toleranz“ wurde nicht nur die immer stärker werdende Belästigung der Anwohner hingenommen, nein, es wurde sogar jede Kritik der Mehrheitsgesellschaft an diesen Zuständen unterbunden und weggebügelt.

Und an dieser Stelle kommen wir zur „modernen Gesellschaft“, wie sie in der Folge der 68er Kulturrevolution über uns gekommen ist. Im hedonistisch-alternativen Milieu der 70er Jahre, wo es um freie Liebe ging, um Sex und „Drugs and Rock ’n’ Roll“, hatte die anti-autoritäre Erziehung natürlich Hochkonjunktur. Zu befolgende Regeln galten plötzlich – ebenso wie alle „überkommene“ Moral – als spießige Einengung. Und autoritäre Herrschaftsstrukturen lehne man ohnehin ab. Der Satz „Das tut man nicht!“ führte unweigerlich zu der Frage des „Warum?“.

Die Geister, die man rief, die wird man heute nicht mehr los. Auch nicht in Zeiten und Gegenden, wo längst keiner mehr von anti-autoritärer Erziehung spricht.

Nach seinem Marsch durch die Institutionen hat das links-alternative Milieu – und damit die von ihm beherrschte „progressive“ Gesellschaft – jetzt die „Moral“ wiederentdeckt, wenn auch freilich unter ganz anderen Vorzeichen: Nicht in Form von Enthaltsamkeit und Selbstbeschränkung des einzelnen, die über Jahrtausende die Grundlage von Moral darstellten, sondern vielmehr in Form eines politischen moralischen Imperativs: Toleranz gegenüber allen Minderheiten! Und als solche versteht man eben auch ein kriminelles Milieu, solang es eben noch in der Minderheit ist.

Die politisierte Moral setzt dabei auf Betreuung statt Strafe: Statt eines konsequenten Durchgreifens der städtischen Ordnungshüter gegen Kriminalität und Ausschreitungen, fordern SPD und Grüne unisono Sozialarbeiter. Zunächst „nur“ für das hedonistische oder kriminelle Milieu, später auch für die unter den Ausschreitungen leidende Nachbarschaft? Ganz ähnlich wie Pflegekräfte werden wir bald Kurse belegen (müssen) über den Umgang mit Menschen mit „eingeschränkter Alltags-Kompetenz“ und über verbesserte Diversitätskompetenz unsererseits.

Diese politisierte Moral der progressiven Gesellschaft braucht keine traditionelle „Sittlichkeit“, die modernen Normen haben mit der Lebensführung und dem Benehmen des einzelnen nur noch wenig zu tun. Die Liberalität und Toleranz gegenüber allem und jedem ist der Gipfel des Moralismus, und der ist ganz bequem erreichbar: Da kann man seinen persönlichen Hedonismus durchaus noch ungezügelt ausleben, rücksichtslos saufen, grölen, böllern und der Nachbarschaft die Nachtruhe rauben, aus Langeweile Bäume fällen, straflos dealen, prügeln usw. … , solange man nur seinerseits auch tolerant ist. Und wenn’s ganz „lustig“ wird, dann kommt eben der Sozialarbeiter! Alles klar?!?