Der 9. November hat sich rückblickend als deutscher Schicksalstag erwiesen. Im Mittelpunkt gegenwärtigen Gedenkens stehen die Ereignisse der Jahre 1938 und 1989, die allerdings ohne den „ersten“ 9. November, den des Jahres 1918, unverständlich bleiben. Das ist auch dann der Fall, wenn wir den 9. November 1918 als den Beginn eines langen, schmerzhaften Weges begreifen, den die Deutschen zurücklegen mußten, um nach Westen, auf die Seite der Sieger, zu gelangen.
Diese Sichtweise, die in der „Berliner Republik“ kultiviert wird, geht den Behauptungen der alliierten Siegermächte auf den Leim, die nichts unversucht ließen, um den Deutschen die Alleinschuld für den Ersten Weltkrieg in die Schuhe zu schieben. Alle jüngeren Publikationen zur Entstehung des Ersten Weltkrieges zeigen, daß das Gegenteil der Fall war. Deutschland trifft nur keine Schuld am Ausbruch des Krieges, es hatte im Gegensatz zu den Alliierten 1914 auch keine Kriegsziele (außer eine improvisierte „nachgereichte Einkaufsliste“, wie es der Finanzhistoriker Niall Ferguson bereits 1998 auf den Punkt brachte).
Die einzige Schuld, die Deutschland trifft, ist die Niederlage selbst, die den Alliierten freie Hand für die Installation einer Nachkriegsordnung gab, die den Keim des nächsten Krieges bereits in sich trug. Wer diese Niederlage Deutschlands zu einem Sieg des „besseren Deutschlands“ umlügt und sich an den Siegesfeiern der Alliierten beteiligt (so wie Angela Merkel 2009 in Paris), hat nicht begriffen, welche Hypothek den Deutschen und Europa in der Folge von 1918 aufgebürdet wurde.
Die Alliierten hatten ihr Ziel erreicht: Deutschland war als wirtschaftlicher Konkurrent ausgeschaltet und mußte als Verdammter der Völker jede Demütigung ertragen, die den Siegern angemessen schien. Die am 9. November 1918 ausgerufene Republik wurde von den Alliierten als willfähriger Jasager zum Versailler Diktat mißbraucht. Das hat zu einem nachhaltigen Mißtrauen der Deutschen zur Demokratie geführt, deren Folgen bis heute zu spüren sind. Grund zur Freude besteht für uns Deutsche, wenn wir an den 9. November 1989 denken und ihn als ersten Schritt zu Wiedererlangung unserer Souveränität verstehen, die uns 1918 genommen wurde.